Kinder fotografieren – mein fotografisches Manifest
Kinder fotografieren kann so einfach sein. Und dennoch: Wenn ich in Worte fassen sollte, was denn natürlich bedeutet, was gute Fotos für mich ausmachen, fange ich immer wieder von vorn an zu überlegen.
Wilde und “liebe” Kinder Fotografieren – mein Manifest
Deswegen habe ich mich auf meinen Hosenboden gesetzt und getüftelt – und ehrlich, ich habe lange überlegt. Was ist der fotografische Anteil meines Manifests, was ist meine private Lebenseinstellung und wie passt das zusammen? Vieles hat auf den ersten Blick nämlich nichts mit natürlicher Kinderfotografie zu tun. Aber schaut mal genau hin:
Beziehung
Bei mir dreht sich alles um Beziehung – schnödes Hinstellen und auf den Knopf drücken gibt es bei mir nicht. Wichtig ist unser Kennenlernen, Gespräche, aufeinander Eingehen, Beobachten und Fühlen. Im Miteinander entstehen die besten Bilder.
Das heißt: Wir bleiben einfach wir. Hä? Was denn sonst? Nee, nee – so einfach ist das nämlich nicht, denn es geht um unsere Subjekt-Subjekt-Beziehung. Ich bleibe Annelie (und bin nicht “Frau Fotografin” oder “die Tante mit dem Fotoapparat”) und ihr schlüpft nicht in die Pseudo-Model-Rolle oder in die perfekte-Mama-Rolle. Natürliche Kinderfotografie bedeutet dann eben auch das Kind sich weigern zu lassen. Wie akzeptieren die Wünsche, Gedanken, Gefühle und das innere Weltbild unseres Gegenübers UND von uns selbst. Da komme ich schon zum nächsten Punkt:
Selbstakzeptanz und Körperbewusstsein
Der letzte Punkt ist einer der schwersten, vor allem im Bezug auf die Fotografie. Es gibt wirklich wenige Menschen, die sich so lieben, wie sie sind. Wenige, die erkennen, dass sie perfekt sind. Ohne Wenn und Aber.
Die meisten denken, dass sie eine Schokoladenseite haben, viele wollen mit Photoshop bearbeitet werden. Ich erlebe Hochzeitspärchen, die mich immer wieder darauf hinweisen, dass ich sie erinnern soll, auf eine bestimmte Art zu stehen, damit man ihre dicken Finger, ihr Doppelkinn, ihre X-Beine und ihre Narbe am Arm nicht sieht.
Ganz ehrlich? Das bricht mir das Herz, weil ich nicht anders kann, als den Wunsch zu erfüllen. Denn der Weg zur Selbstakzeptanz ist weit. Das kann ich im Moment des Shootings nicht lösen. Aber wie sollen denn da echte Bilder entstehen?
Ich kann euch also nur Mut machen, in den Spiegel zu sehen und zu erkennen, dass es keine Makel sind, die ihr tragt, sondern dass ihr es seid, mit all euren Besonderheiten und Geschichten.
Gleichwürdigkeit
Gleichwürdigkeit heißt nicht: Ich mache alles für dich. Gleichwürdigkeit heißt: Deine Grenzen, Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle sind wichtig UND meine Grenzen, Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle sind wichtig . UND! Nicht ODER…
Andreas Reinke – Inspiration für Eltern und Pädagogen
Die überkommenen Erziehungsmodelle weichen dem Begriff der Gleichwürdigkeit. Wir wollen unsere Kinder zu eigenständig denkenden, selbstverantwortlichen und selbstbewussten Menschen erziehen und nicht durch Druck/Repression/Manipulation in eine Richtung drängen, die wir gern hätten.
Nun bringt derjenige, der mich bucht, aber Erwartungen und Vorstellungen mit. Er möchte Sonnenschein, schöne Familienbilder, Idylle, Konsens, Miteinander, strahlendes Lachen aller Beteiligten und das in aller Natürlichkeit. Ganz ungezwungen.
Genau :D. Das liest sich schon wie ein Wahlversprechen.
Erklär das mal dem 3jährigen in der Trotzphase und der schüchternen 6jährigen Schwester, die eine Stunde braucht, um Vertrauen zu fassen. Der Kleine hat nämlich gerade die Pfütze entdeckt und die Große versteckt sich hinter Papa. An Lächeln ist nicht zu denken. Abholen kann man die Kinder nicht mit Bestechung und Überzeugungsmacht. Genau da benötige ich euch als liebevolle Eltern, indem ihr locker lasst. Lasst euch treiben. Spazieren, spielen, lachen, auf der Wiese liegen, nichts tun, durchkrabbeln, Picknick. Mehr ist nicht zu tun.
Wichtig ist nur, dass ihr eure Erwartungen zu Hause lasst. Natürliche Kinderfotografie heißt auch loslassen und dafür das Geschenk des echten Miteinanders zu empfangen.
Der Begriff der Gleichwürdigkeit geht übrigens auf Jesper Juul zurück – wenn Dich das Thema interessiert, empfehle ich Dir das von ihm gegründete Familylab.
Unaufgeregte Bilder
Wenn ich fotografiere, bin ich im Flow – ein sehr entspannter Zustand. Voller Zufriedenheit, Freude und Einfühlen. Ich beobachte und reagiere. Damit ziehe ich vor allem auch Pärchen und Familien an, die ebenso die Ruhe im Fotografiert werden suchen. Weniger das Abenteuer, Nervenkitzel oder Experimente.
Licht
Ich gebe euch Zeit und versuche so wenig wie möglich arrangierend einzugreifen. Ich bin vielmehr mit euch unterwegs und halte an den schönen Stellen kurz an und fotografiere – naja und zwischendurch auch. Worauf ich aber sehr intensiv achte, ist das Licht. Das fasziniert mich unglaublich und macht einen großen Teil der Wirkung meiner Bilder aus.
Magische Orte
Ich habe ganz klare Lieblingslocations. Diese sind zum einen praktisch, weil sie viel bieten, gut zu erreichen sind und tolles Licht haben. Vor allem aber sind es besondere Orte. Sie bieten Geborgenheit und Ruhe, strahlen ohne Sensation und fühlen sich nach Heimat an. Dieser Funke springt nicht überall über. Ich habe auch schon Locations kennen gelernt, die bei anderen Fotografen toll aussehen aber in mir nichts auslösen.
Homestorys sind immer heilig 🙂 – denn da kann ich wieder eintauchen in eine ganz tolle, neue und echte Welt. Meinen Lieblingshintergrund für ruhige Bilder mit Hauptaugenmerk auf den Kindern, packe ich trotzdem ein.
Posing
Ich mag das Wort nicht. Aber verdammt – irgendwie muss ich das Thema umreißen. Das Ding ist: Es gibt Pärchen, die entweder fotoaffin sind oder eine ausgesprochen gute Paarbeziehung haben. Da brauche ich nicht viel sagen. Aber wenn ich Menschen fotografiere, die unsicher sind, ist es durchaus meine Aufgabe, Ideen einzubringen, was Ausdruck und Körperhaltung betrifft. So wenig ich eingreifen und arrangieren möchte, so achtsam bin ich doch mit euch.
Fehlende Körperspannung, über die Nase rutschende Brille, künstliches Lachen, verkrampfte Haltung etc.
Ich habe viele Ideen und die probieren wir einfach. Für jeden ist etwas dabei, was richtig gut passt. Ein Geheimrezept gibt es nicht – ich merke aber schnell ob es in die richtige Richtung geht, damit ihr euch wohl fühlt.
PS: Ich habe noch mehr tolle Schlagwörter für mein fotografisches Manifest auf Lager. Die sind aber alle ganz eng mit den schon genannten verknüpft. Dazu gehören Respekt (der mit der Gleichwürdigkeit automatisch kommt), Kommunikation, Einfühlungsvermögen und Liebe.
PPS: Wenn Du nicht weiß, in welchem Alter Du am besten einen Fotografen buchen solltest, schaust Du am besten hier: Der beste Zeitpunkt für Kinderfotos – alle weiteren Informationen findest Du hier: Familienfotografie Radebeul